Tour mit Kehar Singh

Pünktlich um halb acht holt uns Kehar Singh, unser Guide, von der Lodge ab (früher ist's im Park noch zu dunstig), führt uns im trockenen Savannen-Abschnitt ein Stück vom Hauptweg ab und zielsicher zu einem mächtigen Baum. Auf einem Ast sonnen sich fest aneinander geschmiegt gleich drei Gefleckte Käuzchen (Spotted Owlets).

Gefleckte Käuzchen     Geflecktes Käuzchen

Über uns kreist hoch am Himmel ein Ägyptischer Geier, von denen noch einige in den Park kommen, während die White-backed Vultures, die vor einigen Jahren noch zu Hunderten die Tierkadaver beseitigten, sämtlich dem leider zu spät verbotenen Tierarznei Diclofenac zum Opfer gefallen sind. (Siehe auch hier.) Bei dem im hohen Gras unfotografierbar schnell umher hüpfenden, nur auf den ersten Blick unscheinbaren Vögelchen handelt es sich wieder um den aus dem Himalaya kommenden Blue Throat: hellbraun-gelblich-grüner Körper, gelbliche Schläfenstreifen, wippender länglicher Schwanz; und der orangefarbene Fleck inmitten der blauen Kehle signalisiert das brütende Männchen und fehlt beim Weibchen. Wir beschreiben ihn deshalb so ausführlich, weil laut Kehar der Vogel sehr selten geworden sei und wir ihn immer wieder nicht erkennen, aber dass er aus Sibirien stamme, wie Kehar nachdrücklich behauptet, wird von anderen Birders wiederum bestritten, soll heißen: die Ornithologie ist ein hartes Brot, und unsere quälend langsamen Fortschritte treiben uns schier zur Verzweiflung, weswegen wir auch für kritische Kommentare und sachdienliche Hinweise überaus dankbar wären, vor allem aber für die Namen der Tiere auf Deutsch!

Die letztens bereits erwähnten sieben-, achtköpfigen Familien der nur am Boden lebenden Gray Partridges, Riesen-Rebhühner mit wunderbar farbenprächtig ziseliertem Brust- und Bauchgefieder, die früher zumeist im Topf landeten, sind da jedenfalls schon leichter wieder zu erkennen —, doch beim Lesser White Throat, der aus Gujarat (Kuch) gekommen sein soll, geht’s schon wieder los: Er ist nicht mal im renommierten "Pocket Guide to the Birds of the Indian Subkontinent" von Grimmett und den Inskipps zu finden…

Wir sind zum Marschland gelangt und konzentrieren uns gerade auf einen zwischen Ibis und Spoon Bill eifrig im Schlamm pickend hin und her eilenden Yellow Wagtail, eine Art Bachstelze mit knallgelbem Bauch, als dicht über uns wie auf einer Kette aufgereiht genau 31 Rosa Pelikane hinwegrauschen, um nach einigen Schleifen auf einem kleinen Inselchen niederzugehen und sich dort zwischen mindestens ebenso viele Artgenossen zu drängen, so dass kein Sand Piper mehr dazwischen gepasst hätte.

Dann ist jener im Wasser stehende hohe Baum erreicht, auf dem Familie Uhu wohnt. Die beiden vor nunmehr einer Woche geschlüpften Jungen wachsen in atemberaubendem Tempo heran, so dass die weißlichen Flaumknäuel schon aus schwarz umschatteten Augen über den Rand des Adlerhorstes lugen. Die Mutter späht von Zeit zu Zeit wachsam zu uns herüber, bevor sie sich wieder der Körperpflege ihres Nachwuchses widmet, während der stattliche, jedoch durch seine Gefiederfärbung so perfekt getarnte Vater, dass ihn manche gar nicht erst entdecken, erschöpft von der nächtlichen Jagd auf einem der äußeren Äste ruht und von nichts und niemand Notiz nimmt.

Seeland     Grosser Reiher mit Stilt

Atembraubend und zugleich verwirrend die Vielzahl verschiedener Enten und Gänse, die sich auf der weiten Wasserfläche des westlichen Sees tummeln: Spot-billed Ducks mit gelber Schnabelspitze, dunklem Scheitel und Augenstreifen und schindelartig angeordneten Bauchfedern; sibirische Gadwall Ducks, das Weibchen braun-weißlich gefleckt, schiefergrau das Männchen mit ebensolchem Schnabel und schwarzer Schwanzunterseite; die angeblich "aus Europa" stammenden, uns dort aber noch nirgends aufgefallenen Common Teal Ducks, bei welchen der braune Kopf des Männchens dunkelgrüne Augenstreifen, seine Schwanzunterseite einen dottergelben, schwarz umrandeten Fleck zeigt; die Shoveler mit dem charakteristischen Spaten-Schnabel; die schwarzen Scoter Ducks aus China, bei denen die Flügel der Männchen an Landeklappen erinnernde weiße Rechtecke tragen, die erst im Flug sichtbar werden; die gleichfalls aus China kommenden Massen von Schwarzen Enten oder Goots, die mit donnerndem Geräusch auffliegen; die Pintail Ducks aus Sibirien mit (beim Männchen) dunkelbraunem Kopf, weißem Streifen hinterm Ohr und dünnem, spitz zulaufendem Schwanz; oder die niedlichen Grievan Dubchicks(?), ebenfalls aus Sibirien/Nord-China, die, hellbraun und ocker gefärbt, so klein wie halberwachsene Küken wirken; sodann die hellgrauen Bar-headed Geese aus der Mongolei, große Gänse mit symmetrischen schwarzen Querstreifen über dem weißen Kopf und noch viele viele mehr, deren Namen uns momentan entfallen sind und auf die wir später zurückkommen wollen. Dazu hat's natürlich auch Stockenten, Blessrallen und andere uns wohlvertraute Arten, aber erwähnt seien noch die sich abseits im Brackwasser aufhaltenden rundlichen Purple Moorhens, deren blau-violett schillernder Leib, purpur-roter Schnabel und Stirnschild schon aus großer Entfernung auffallen.

In der Mittagshitze — ja, es wird täglich wärmer und wir kommen ab 10 schon wieder mit T-Shirt aus — sucht Kehar im trockenen Wald vergeblich nach dem Night Jar, einem perfekt getarnten Vogel, den er uns unbedingt zeigen will und dessen Spotting Ornis regelmäßig in helle Begeisterung versetze. Wir sehen "nur" Fork-tailed Drongos, Bulbuls, an Eichelhäher erinnernde Indian Rollers, entdecken in einer Palme zwei junge Collard Scops Owls mit Katzengesichtern und Ohren, die jenen unserer Waldohreule ähneln, und unser Guide freut sich, nachdem Birgit auf einem aus dem Wasser ragenden Stamm eine kleine, aber bereits ausgewachsene Black-spotted Turtle , also eine indische Schildkröte mit schwarz gefleckter Bauchseite entdeckt hat, uns — ebenfalls auf einem dicken Stamm knapp über der Wasserfläche — einen Knäuel von drei ineinander verwickelten Wasserschlangen zeigen zu können, deren Namen er allerdings nicht weiß.

Schwarz gefleckte indische Schildkröte      Indische Wasserschlangen

Auf dem Rückweg wundern wir uns, dass die Markierungen der Speed Breakers erneuert werden. Anlässlich der Eröffnung des WWF-Besucherzentrums kam anderntags der Ministerpräsident von Rajasthan mit vielköpfiger Entourage, weswegen der Park, offensichtlich um Berührung der Autoritäten mit dem gemeinen Volk zu vermeiden, drei Stunden geschlossen und am Vortag von zahlreichen ausgemergelten LandarbeiterInnen — zum Glück nur entlang des ca. 5 km langen Hauptwegs bis zum Zentrum — tatsächlich die Natur von Laub, Ästen, heruntergefallenen Palmwedeln und dergleichen "gesäubert" wurde, ohne einen Gedanken an Kleinlebewesen, natürliche Düngung, Schutz des Bodens vor Witterungseinflüssen etc. verschwendet worden wäre, während all der wirkliche Abfall: Plastiktüten und -flaschen, Aluverpackungen usw., sofern nicht direkt sichtbar, liegen geblieben ist. Auf dem Gelände der schäbigen sog. Canteen im Park-Zentrum wurden die Kronen hundertjähriger Bäume dergestalt "gepflegt", dass störende Äste mit einer Art Enterhaken einfach herausgebrochen und heruntergerissen wurden. — Und wundersamerweise kam es den ganzen Tag über auch zu keinem einzigen Stromausfall, wohingegen sonst die Bevölkerung alltäglich seit vielen Jahren von 6 bis 6:30 und dann von 9 bis 12 Uhr regelmäßig sowie außerdem für über den ganzen Tag verteilte sporadische, bis zu halbstündige Intervalle auf Strom aus der Steckdose zu verzichten hat. — Darüber hinaus ließ der WWF an Parkbedienstete und Rickshaw-Guides grüne Plastikjacken mit seinem Logo verteilen.

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