Der Himmel über Delhi

Auch hier in Delhi ist’s winterlich kalt. Wenngleich es um die Mittagszeit 20 Grad werden mögen, geht’s nachts runter auf vielleicht fünf, und da wird’s ohne Heizung ganz schön ungemütlich, zumal die Hotels für die Hitze gebaut sind, die sommers bis auf 50 Grad klettern kann. So tragen wir fast alle dicken Sachen, die wir mitgenommen haben, am Leib und werden es nie fassen, wie all die Obdachlosen, die abends ihre dünnen Kolter auf die Gehsteige breiten und sich nur mit einem einzigen weiteren zudecken, den Winter überstehen können.
Main Bazar
Immerhin ist die Stadtluft merklich besser geworden, wenngleich längst nicht alle Scooter-Taxis der Regierungsauflage nachgekommen sind, ebenso wie die Stadtbusse auf Gasantrieb umzustellen, sondern unter der Hand von der Polizei gegen Bares "Sondergenehmigungen" erhalten, um mit Diesel und knatternden Zweitaktern den 13-Millionen-Moloch weiter zu verpesten. Hinzu kommen Millionen Dieselmotoren der LKW und PKW, die unzähligen Motorroller, die sog. Standby-Generatoren, die bei den nach wie vor häufigen Stromausfällen losröhren sowie die zahllosen offenen Feuerchen der ärmeren Bevölkerung, die in Ermangelung geeigneteren Brennstoffs nicht selten mit Plastikabfällen genährt werden etc.

Die chronischen Atemwegserkrankungen schon bei Kleinkindern haben selbst für die hiesigen Autoritäten inzwischen alarmierende Ausmaße angenommen, und die Stadtverwaltung hatte nach mehreren vergeblichen Anläufen 2002 endlich ernst gemacht, doch die Hoffnung, die Umrüstung wenigstens der öffentlichen Verkehrsmittel auf umweltfreundlicheren Antrieb würde in den anderen indischen Mega-Cities wie Kalkutta, Madras (Chennai) oder Bombay (Mumbai) Schule machen, hat sich bis dato leider nicht erfüllt.
 
Schwarzmilane
 
 
Schwarzmilane
 
Das Erstaunliche bei alledem jedoch ist, dass das Getümmel der den Himmel über Delhi bevölkernden Schwarzmilane (die etwa die Zahl der in Hamburg oder London noch übrigen Sperlinge um ein Vielfaches übertreffen), zur Zeit, als man kaum mehr die Sonne sah, nicht geringer gewesen ist; dass auch damals die Kingfischer (eine Art Eisvogel) schon mal auf dem Fenstersims des Hotelzimmers rasteten, Scharen langschwänziger Sittiche durch die Lüfte sausten und wie damals vor Sonnenuntergang Trupps von Störchen quer über die zum Himmel stinkende Stadt Kurs auf ihre Horste nehmen… –
 
 
Stoerche
 
 
soll heißen: Anscheinend bestimmt weniger der Grad der Luftverschmutzung als das Verhältnis der Menschen zu ihrer lebendigen Mitwelt den Artenreichtum der Avifauna in den urbanen Zentren, denn wir haben während unserer jahrelangen Indienreisen noch niemals einen Einheimischen auf einen Vogel schießen oder auch nur einen Stein nach ihm werfen sehen, sondern die Städter lassen beispielsweise Spatzen in ihren Wohnungen nisten, heben nur nachlässig einen Stock, wenn eine Krähe ihnen wieder einen Fisch geklaut hat, rufen nicht nur mit merkwürdigen gutturalen Lauten ihre Haustauben zur Fütterung, sondern auch die erwähnten Milane und werfen irgendwelche Fleischabfälle zu ihnen hinauf. (Hinzu kommen selbstredend die mangelnde Gebäudesanierung, fehlende Wärmedämmung, die verschwindende Zahl fugenloser Glasfassaden, die dort, wo sie bereits öfter anzutreffen sind, nämlich in New Delhi von ausgedehnten Park- und Grünanlagen kompensiert werden.) Dennoch ist das Verhältnis von Mensch und Tier gerade in Indien (noch) immer ein anderes, ohne dass wir es hier verklären oder gar auf die notorischen heiligen Kühe abheben wollten, die, wenn sie auch zuweilen von gläubigen Hindus liebevoll etwa mit Bergen von durchaus noch anderweitig verwertbarem Gemüse oder Toastbrot gefüttert werden, doch vorwiegend nur als Müllabfuhr der Märkte dienen und mit ihren vom Asphalt wunden oder von Autoreifen zermalmten Hufen einen beklagenswerten Anblick bieten.

Soviel erst mal zu Delhi: Morgen geht’s per Bahn ins Städtchen Bharatpur (200.000 Einwohner) nach Rajasthan und ins Ornithologen-Eldorado, den Keoladeo-Ghana-Nationalpark…

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