Ghanas Ostteil

Natürlich haben wir neulich, als wir, vom Infekt geschwächt, notgedrungen Downtown Bharatpur durchkurvten, der Stadt, immerhin Regierungssitz der weiland Maharajas von Bharatpur, mit der Apostrophierung "Megadorf" höchst unrecht getan und würden, wenn Ortsansässige wie Rajasthani überhaupt es lesen könnten, sicher ohne viel Federlesens davongejagt. — Nein: Es hat hier einen sehenswerten Alten Lakshmi-Tempel, einige weitere kleinere Hindu-Tempel, die wirklich imposante Große Moschee, den zugegeben etwas abgenutzten Ghandi Park und, nicht zu vergessen, eben den Palast der einstigen Herrscher, auf dessen Gelände gestern jene kulturellen Darbietungen zu Ehren der ausländischen Touristen stattfanden: Musik, Tanz und Gesang, bunte Wasserspiele sowie Feuer- oder besser gesagt Böllerwerk u.v.m., was wir Banausen uns schlankweg haben entgehen lassen.

Gleichwohl können wir sagen, wir wurden durch einige jüngere, äußerst enthusiasmierte Mit-Touris mehr als hinreichend vertreten, die — eben aus dem heiligen Pushkar gekommen und mit Sitars und jenen notorischen Touri-Tablas (=Hand-Trommeln) ausgerüstet, die dort schon vor zwanzig Jahren letzter Schrei gewesen sind —,den Event gleich auf Digi-Cam bannten, beim Dinner auf dem Laptop wieder und wieder abspielten und nicht müde wurden zu versichern, was für ein großer Spaß die ganze Sache gewesen sei und welch gute Zeit man mal wieder gehabt habe.

Wir jedoch räumen freimütig ein, dass wir nach Möglichkeit größere Menschenansammlungen meiden, Vermummte Koreanerin haben also lieber wieder Kurs auf den Park genommen, übrigens zum drittletzten Mal auf dieser Reise, und Ihr könnt Euch unsere Bestürzung vorstellen, als sich dort schon zu früher Stunde aus zwei großen Reisebussen der Luxus-Klasse zahllose vermummte KoreanerInnen auf den Vorplatz ergossen, die wahrhaftig übergangslos anhoben, einander abzulichten, wohlgemerkt: ohne dabei den Mundschutz abzunehmen! Als wir einfach nicht mehr an uns halten konnten und "Avian Flu!" und "Have you got your vaccination?" wispernd zwischen ihnen herumgingen, weiteten sich überm Mundschutz Augenpaare vor Entsetzen, derweil das selbstverständlich unvermummte indische Begleitpersonal Mühe hatte, nicht am Lachen zu ersticken. — Doch damit nicht genug, rumpelten auch noch drei verbeulte Busse einer Delhi Public School auf den Parkplatz, kreischende SchülerInnen aus allen Fenstern baumelnd.

Märchenwald

Main Road und Westseite schieden damit von vornherein aus; wir wandten uns gleich nach dem Wasserfassen an der 2. Barriere ostwärts. "Olles is zu wassn gutt!" sagte einst ein alter Jude, als in Deutschland noch Jiddisch gesprochen wurde —, jedenfalls waren wir schlicht überwältigt vom dichten dunklen Wald uralter Bäume, der uns gleich nach Passieren einer Tempelanlage umfing und dessen Existenz wir, weil eben die Begrenzungsmauer und die Dörfer dahinter nicht weit sind, schlicht verdrängt hatten. Alter Baumbestand Ganze Chittal-Herden verschwanden erschreckt hinter Lianen-umschlungenen, von zahllosen Baumhöhlen perforierten ausladenden Ficus: was wohl darin alles hausen mag?! Spotted Deer Kräftige verwilderte Hunde, die gerade zwei rosa-ohrige Kaninchen jagten, hielten schuldbewusst inne und verdufteten bei unserem Anblick. Dann aber entdeckten wir nacheinander hoch oben im Geäst ein, zwei, nein drei Graue Nashornvögel (vielleicht war’s auch einmal ein und derselbe): Sie sind natürlich nicht so gewaltig, farbenprächtig und in ihrem geräuschvollen, etwas schwerfälligen Flug an urzeitlich Echsen erinnernd wie jene Great Hornbills in Kerala/Südindien, aber von einem wunderschönen feingemaserten Perlgrau, mit einer samtschwarzen Kappe über dem "Nashorn" und gleichfalls einem langen, am Ende schwarz-weiß schattierten Schwanz.

Auch einen Bussard hörten wir maunzen, bekamen ihn aber leider nicht zu Gesicht. — Im Wald aber ist’s nun mal dunkel, und so ist unsere diesbezügliche Foto-Ausbeute leider etwas spärlich. Wenigstens lichtete Birgit u. a. ein wirklich überdimensionales Wildbienennest ab, Wildbienen-Nest das, in ca. zehn Metern Höhe an die Unterseite eines Astes geklebt, von Insekten derart wimmelte, dass es sich um einen einzigen Organismus zu handeln schien.

Wir rasteten auf einer funktionslos gewordenen Schleuse: der Kanal, der einst von den verschiedenen Reihern und Ibissen frequentiert war, ist längst ausgetrocknet. Genau hier geschah es übrigens auch, dass sich ein alter narbenbedeckter Makkaka-Häuptling, während wir picknickten, unbemerkt anschlich und gerade Anstalten machte, unsere sämtlichen Fressalien zu klauen, wenn ich ihm nicht in allerletzter Sekunde einen mitgeführten massiven Dornenstock gegen die Stirn geschlagen und ihm eine tüchtige Blessur beigebracht hätte. Unter wüsten Drohgebärden zog sich der Affe auf den nächstgelegenen Baum und auch nur in halbe Höhe zurück, während sein rundum verteilter Clan die Szene aufmerksam beobachtete. Minutenlang musterte mich der Chef unter neuerlichem Drohen finster, fasste unterdessen jedoch nicht ein einziges Mal nach seiner blutenden, sicherlich schmerzenden Wunde, gab vielmehr nach einer Weile das Kommando zum Rückzug, als habe er weit besseres in Aussicht. — Es hat mir wirklich Leid getan, nicht etwa wegen des Kratzers (weshalb mich übrigens Naturfreunde schalten, denen ich von dem kleinen Zusammenstoß erzählte), sondern wegen des Autoritätsverlusts, den ich dem Leidtier in den Augen seiner Gruppe wohl zugefügt hatte. Jenen Stock aber hatten wir noch geraume Zeit in der damals vor Makkakas nur so wimmelten Gegend immer bei uns: Man brauchte ihn den Alpha-Tieren nur kurz vorzuweisen, und schon wichen sie geduckt und zähnefletschend wenigstens ein, zwei Meter zurück. Als ich die "Waffe" einmal auf die Schnelle unerreichbar auf dem Gepäckträger verstaut, am Fahrradlenker aber einen Plastikbeutel voll eingesammelten Mülls baumeln hatte, marschierte so ein unerschrockener Kämpe geradewegs auf mich zu, so dass ich dummerweise anhielt aus Angst, ins Bein gebissen zu werden. Wenn man durch Affenbisse und -krallen Malträtierte einmal gesehen hat, kann man sich vielleicht vorstellen, welche Schreckensstarre mich befiel, doch das Tier grapschte sich lediglich zielsicher die Plastiktüte, ging ein Stück seitwärts und verteilte unseren akribisch gesammelten Abfall, nachdem es nichts Verwertbares darunter gefunden hatte, wieder in die Botanik.

Wir verlassen den Märchenwald in südlicher Richtung und radeln das Ostufer des großen Sees entlang, der schon in der Mittagshitze flimmert. Scharen der verschiedensten Enten und Gänse gründeln träge, nur die Schnepfen, Stilts und Cursours picken geschäftig wie immer; das kinderlose Paar Sarus-Kraniche schläft auf je einem Bein.

Kinderloses Sarus-Pärchen

Wir suchen zum Lunch die Kantine auf, doch obgleich es genügend Gäste gibt, werden nun nicht mal mehr Pakoras gebacken: die Kantine ist eben eine staatliche Unternehmung. Also müssen wir mit dem grausigen Machine-made Bread und Amul-Büchsenkäse vorlieb nehmen und mit Çay runterspülen, den es neben Soft Drinks und Chips immerhin noch gibt. (Wir beobachten einen US-Amerikaner von den ungefähren Ausmaßen dreier indischer Rickshaw-Wallahs, der sage & schreibe ganz allein acht (8!) Cokes hinunterschüttet…) Die Delhi-SchülerInnen stürzen auf uns los und interviewen uns, ob wir denn schon Agra und das Taj gesehen hätten und als wir antworten, diesmal nicht, zeigen sie sich überraschenderweise voll informiert über die ums 38-fache höheren Eintrittspreise für Ausländer und – finden überhaupt nichts daran auszusetzen. — So werden die Stätten des Weltkultur- und -naturerbes bald nur noch exklusiv für Besserverdienende und Leistungsträger reserviert und zugänglich sein, deren Lebensstil, Erwerbsmethoden und Wirtschaftsweise maßgeblich für ihre schleichende Zerstörung verantwortlich sind.

Wir folgen dem Kanal zwischen südlichem und westlichem See, suchen uns ein schattiges Plätzchen am Ufer und beobachten Bulbuls, Tigerbirds, Drongos, Flycatchers und was sich sonst noch alles in den Büschen gegenüber tummelt. Auch ein Mungo schnüffelt das Ufer ab, ein Goldschakal äugt herüber. Als die Hitze nachgelassen hat, fahren wir zum sog. Python Point, wo wir vormals inmitten einer trockenen Dornbusch-Steppe eine sogar mit Devotionalien geschmückte felsige, höhlenreiche Stelle kannten, vor denen sich die großen Schlangen zu sonnen pflegten, doch heuer können wir weder den Platz wieder finden noch auch den Ort, wo wir unsere Fahrräder abgestellt haben, irren auf Tierpfaden zwischen stachligem Gestrüpp hierhin und dorthin, ehe wir auf den rettenden Einfall geraten, erst einmal den Weg zu suchen und anschließend nach unseren davon abführenden Reifenspuren.

Gegen Abend fahren wir noch zur kleinen Wasserburg, deren Graben inzwischen völlig trocken gefallen ist Wasserburg und deren aus Ziegeln gemauertes Fundament nach und nach von den Wurzeln der daraus hervor wachsenden Bäume aufgestemmt wird. Groß ist unsere Verblüffung, als keine 50 Meter entfernt ganz allein auf freier Flur ein adulter Wollhalsstorch einherschreitet. Wegen der Lichtverhältnisse lässt der Zoom die Bilder leider verwackeln, was sehr schade ist, denn diese Art ist ebenfalls sehr selten geworden, und es ist das erste Exemplar, das wir überhaupt zu Gesicht bekommen haben!

Wollhalsstorch

Dann aber ist’s fast dunkel: Wenn auch die Mondsichel ein fahles Licht wirft, müssen wir uns auf unseren unbeleuchteten Rädern sputen, denn es gilt ja auch noch, von der Zapfstelle Trinkwasser für zu Hause mitzunehmen. Zu unserem Erstaunen stehen noch um diese vorgerückte Stunde in einem Teich dicht an dicht über Hundert junge Buntstörche missmutig und ohne noch nach Futter zu suchen, schweigend im Wasser, während von anderen Wasserflächen Kranichrufe und ein unablässiges Schnattern, Quaken, donnerndes Auffliegen und rauschendes Landen zu uns dringen.

Mahnmal mit Untiefen
 
 
 
 
 
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Freche Affen

Liebe Birgit und lieber Achim,
es ist bekannt, das Affen und andere Wildtiere sehen, wo sie ohne großen Aufwand an Nahrung kommen. Oft sind Touris aber selber Schuld, dass die Tiere lästig werden.
In Afrika wird bei recht hohen Strafen davor gewarnt, die Affen- z.B. Paviane- zu füttern. Es fällt nicht schwer die Gefahr zu erahnen wenn so ein Pavian mal gähnt! Die Ranger warnen auch davor, Kofferräume oder Autofenster offen zu lassen.

Wir erlebten an einem Camp, wie erst eine, dann sogar zwei Tüpfelhyänen außen am Zaun entlang schlichen (manche Grillplätze liegen direkt innen am Zaun)- die waren nicht umsonst da, irgendwelche Touris haben bestimmt Abfälle über`n Zaun geworfen. Doch das Camp war leer, wir blieben standhaft und so kamen die Tiere nicht wieder. Es beschämt einen, wenn man sowas erlebt, Horst Stern nannte das "Verhausschweinung"...
Euer Affe wird den Imageschaden überleben!
Grüße von Katrin

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