Brij Mahotsav

Schon in aller Herrgottsfrühe haben auf dem Vorplatz vorm Parkeingang ein ganzer Zug Uniformierter in Ausgehuniform nebst eines Kommitees lokaler Würdenträger Aufstellung genommen und als wir Anti-Militaristen uns unbeeindruckt mitten hindurch einen Weg zum Schalterhäuschen bahnen wollen, um schnellstmöglich unsere 400 Rupees abzudrücken, werden wir von einem betressten Offizier barsch daran gehindert: Vom 2. bis 4. Februar habe das Ministry of Tourism of Rajasthan ein Festival exklusiv für seine ausländischen Gäste anberaumt, schnarrt’s unter einem mächtigen Schnurrbart hervor — entsprechende Handzettel werden uns umgehend in die Hand gedrückt —, und wir hätten als besondere Ehrengäste jetzt und sofort an einer offiziellen Zeremonie teilzunehmen. Vor laufenden Kameras werden wir erstmal mit den Mala, also den schon erwähnten, hinlänglich bekannten Blütenketten bekränzt, erhalten alsdann jeder ein ganzes Bund mit Gas gefüllter Luftballons (wenigstens keine Tauben!) und müssen sie auf Kommando besagten Offiziers fliegen lassen, was wir ohne weiteres Zögern auch tun. Alles klatscht, wir eingeschlossen, die Kameras schwenken von unserem gequälten Grinsen den aufsteigenden Ballons hinterdrein, und — wir sind entlassen. (Von ausnahmsweise freiem Eintritt ist natürlich keine Rede.) Da sich die Mala mit den Riemen unserer Ferngläser verheddern, bekränzen wir lieber unsere Fahrräder, nicht zuletzt in der Hoffnung, vielleicht damit die uns fast täglich heimsuchenden Reifenpannen abzuwenden, und verlassen bei erster sich bietender Gelegenheit den Hauptweg, auf dem ein ganzer Konvoi von Edelkarossen Kurs aufs Tourist Information Center nimmt. Gut, es soll da Dia- und Filmvorführungen geben, Musik, Kultur und Tanz, gefolgt von Pferde- und Ochsenkarren-Rennen in Bharatpur und vielem mehr, aber ehrlich gesagt, steht uns der Sinn eher nach anderem.

Wir stellen unsere geschmückten Räder wieder an einem schattigen Plätzchen ab und folgen dem Kanal, auf dem die Bootstouren zum Teichgebiet ihren Anfang nehmen. Silberreiher spähen nach Beute, von gegenüber beäugt uns ein Schakal und auch auf unserer Seite entdecken wir ein besonders schönes Tier, das gerade einem Ferkel auf den Fersen ist, vom böse grunzenden und den Kopf werfenden Mutterschwein aber sogleich abgedrängt wird. Dammweg Der Schakal hat auch gleich ein Einsehen, bleibt stehen, entdeckt jetzt uns, aber zeigt keine Scheu, beschnuppert einen Busch, dreht sich um die eigene Achse, legt sich ins dürre Gras und ist sofort nicht mehr zu entdecken.

Wir folgen dem Dammweg, kämpfen uns später durch Dornengestrüpp, bis wir einen viel versprechenden Aussichtspunkt gefunden zu haben glauben und lassen uns nieder. Zunächst zeigen sich zwei Rufous Tree Pies (eben die sog. Tiger Birds), die sich einfach nicht so fotografieren lassen wollen, Tigerbird dass die Sonne ihre beeindruckenden Farben voll zur Geltung bringt. — Im Gesträuch ein reges Treiben von Busch- und Strauchrohrsängern, Grasmücken und Pirinien, aber wieder ist ans Fotografieren nicht zu denken, so geschwind wechseln die Vögelchen Position, Zweig und Busch, und auch die Enten in der Uferzone des Sees stieben davon, wenn wir uns nur aufrichten. Birgit kann nur einige mongolische Krickenten erwischen, die weniger scheu sind.

Krickenten   Mongolische Krickente

Auf dem Rückweg weitere kamerascheue Tigerbirds, und auch mit einem Tibet-Würger ergeht’s uns nicht besser. Die vier grünen Rotschulter-Tauben auf einem abgestorbenen Baum sind dagegen zu weit entfernt. — Am Südufer des westlichen Sees beobachten wir ganz verschiedene Sorten Bulbuls: White-throated, Yellow-browed und Weißohr-B. Direkt im Baum, unter dem wir sitzen, hämmert der farblich eher unauffällige Brown-capped Pygmy Woodpecker ("Hindu Specht" auf Deutsch, ist doch die Konfession immer ein wichtiges Unterscheidungsmerkmal).

Boote auf dem westlichen See

Wieder suchen wir am frühen Nachmittag ein trockenes Waldgebiet vergeblich nach der Nachtschwalbe ab, die sich ja durch ihre camouflage-artige Zeichnung perfekt dem Untergrund anzupassen vermag, stoßen dafür auf dem steinigen Weg in der Höhe des Python Point auf eine ganze Gruppe Blaukehlchen, Indian und Magpie Robins und lindgrün gezeichneter Kuhstelzen, die einträchtig den Weg abpicken. Im Hintergrund erscheinen Chittal beiderlei Geschlechts mit zwei Kitzchen, sind aber, kaum dass Birgit die Kamera hebt, wieder verschwunden. — Über uns zwei Ägyptische Geier, die einen Kuhkadaver erspäht haben: Man könnte meinen, dass der Park den Bauern der Umgebung nicht nur als illegale Weide, sondern auch als Abdeckerei dienen muss.

Viele Regionen besonders in den Außenbreichen des Ghana haben sich durch die jahrelange Dürre doch erheblich verändert: Wo einst idyllische Auenwäldchen verschiedensten Pflanzen- und Tierarten Lebensraum boten, gibt’s nur noch Steppe mit klaffenden Rissen im steinharten Boden, und wir, die wir vor Jahren jeden Pfad, jeden Winkel des Geländes kannten, haben heuer mitunter Mühe festzustellen, wo wir überhaupt sind. Der vorjährige, allzu ergiebige Monsun, der über große Landesteile (Gujarat, Maharashtra) viel Leid gebracht hat, reichte jedoch nicht aus, im Keoladeo den einstigen Wasserzustand wiederherzustellen und wenn auch, wie schon erwähnt, wieder viele Buntstörche gekommen sind: die Enten- und Gänsepopulation scheint uns längst nicht mehr so groß wie während unseres Aufenthalts Ende der 90er.

Auf dem Heimweg in der Abenddämmerung entdecken wir auf einer flachen, spärlich mit Gras bewachsenen Erhebung im südlichen See einen stattlichen Kaiseradler mit grauem Hinterkopf beim Verzehren einer eben geschlagenen Ente — anfangs ist er noch am Rupfen — und unmittelbar daneben geduldig wartend einen rundum dunkelbraunen Steppenadler. Nachdem jener mit einigen großen Stücken den ersten Appetit gestillt hat, rollt er, auf einem Fuß hüpfend, mit der, aus einem regelrechten Hosenbein aus Federn ragenden mächtigen Kralle umständlich die Beute hin und her, derweil der Steppenadler zunächst auf einen nahen Baum retiriert. Nachdem der Kaiseradler die Beute gepackt und unter gravitätischen Flügelschlägen im Tiefflug mit ihr verschwunden ist, kehrt jener zurück und tut sich an den offenbar noch reichlich vorhandenen Resten gütlich. — Leider war's dämmrig, dunstig und auch noch bei Gegenlicht, und so wollen wir davon absehen, hier einen Scherenschnitt zu präsentieren.
 
 
 
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