Letzte Tage

Die Saison neigt sich dem Ende, und heute von niemand Geringerem als Herrn Pfau persönlich abgeholt, haben wir sogar den Hauptweg fast ganz für uns allein, Pfau können in Büschen und Bäumen beiderseits des Damms ungestört ein buntes Treiben beobachten, denn überall beginnen Früchte und Beeren zu reifen, und winzige Prinias mühen sich mit gelben und orangefarbenen Kugeln in den bis zum Anschlag aufgesperrten Schnäbelchen ab. — Dann auf dem Wipfel eines hohen Baumes im vollen Sonnenlicht wieder ein Pärchen Hornbills, schrilles Maunzen wie Greifvögel von sich gebend —, und bei dieser Gelegenheit müssen wir uns mal wieder korrigieren: Da ist kein Käppchen, sonder das "Nashorn" selber ist samtschwarz, während das Gefieder eher rötlich-braun schimmert denn perlgrau. Indian Grey Hornbill Gleichwohl heißt der Vogel Indian Grey Hornbill —, vielleicht lag's an der Morgenröte, aber andererseits ist's ja ein alter Hut, dass erst direkte Sonneneinstrahlung das volle Farbspektrum der Zeichnung sei’s von Vögeln, Fischen, Insekten, Blüten und natürlicher Schönheit überhaupt zur Geltung bringt und dann regelmäßig all unsere sprachlichen Attribute zumeist kläglich versagen lässt.

Ein schlagendes Beispiel der Purple Sunbird, den wir schon öfter auf schattigem Strauch beim Tirilieren zuhörten und -schauten und der uns inklusive seines gebogenen Schnabels immer bloß schwärzlich-dunkel erschien; doch heute, als der Vogel in gleißender Sonne sein Lied schmetterte, entdeckten wir die metallic-blau bis türkis und silbrig funkelnden Perlenstickereien, die sein nachtblau-purpurnes Federkleid durchwirken. (Angesichts des Gegenlichts lieferte unsere Digi nur eine Silhouette…)

In einem Waldgebiet erspähten wir in einem hohen Baum einen Eurasian Jay und in Büschen eine ganze Anzahl geschwätziger Mynas, deren Gesichtszeichnung entfernt an Beos erinnert und waren gerade damit beschäftigt, Wüstengrasmücke, Feldrohrsänger sowie die verschiedenen Unterarten von Bulbuls auseinander zu klamüsern, da zerriss lautes Keifen von Dorfweibern die Stille: Wieder rückte eine ganze, mit massiven, an den Enden gebogenen Hartholzstöcken bewehrte Abteilung fruchttragenden Bäumen zu Leibe und zerrte und riss unter ständigem Gezeter, was Äste und Zweige nur immer hergaben. Als wir unsere Deckung verließen und Fotos machten, erfrechten sich die Kanaillen auch noch, Geld dafür zu fordern.

Bäuerinnen   Bäuerinnen

Einmal mehr waren unsere Vogelbeobachtungen zu einem abrupten Ende gekommen. Wir schwangen uns auf die Räder, rumpelten einen Ziegeldamm entlang, schreckten paar Wachteln auf, Frankolin-Wachteln lichteten noch die Sarus-Familie ab, die sich plötzlich nur mehr mit einem Kind zeigt, beobachteten hoch am Himmel Adler und Geier einträchtig miteinander kreisen und unten im Flachwasser einen alten, nach Futter stochernden Buntstorch, der rüde die jüngere Generation schon als Nahrungskonkurrenz vertrieb, kamen sodann nicht umhin, einen Franzosen zur Ordnung zu rufen, der mit Steinwürfen herauszufinden trachtete, ob es sich bei einem abgetauchten Tier nun um ein Krokodil (!?) oder vielleicht doch nur um eine Schildkröte handelte, empfahlen ihm also, nach Afrika zu reisen, nahmen in der Kantine unsern Çay und legten uns alsdann reichlich entnervt an einem schattigen Plätzchen am Seeufer für eine Stunde ab, denn die Mittagshitze beginnt schon wieder aufs Haupt zu gehen. — Wenn man bedenkt, dass wir vor zehn Tagen um diese Zeit noch all unsere warmen Sachen übereinander am Leib trugen…

Ein wenig erquickt, fahren wir anschließend langsam das östliche Seeufer Richtung Norden entlang, entdecken neben Bronze-winged Jacana, Grünschenkel, Zwergstrandläufer und Waldschnepfe zu unserem Entzücken auch einen Großen Brachvogel oder, ehrlich gesagt, ein Birder zeigt ihn uns durch sein Spektiv, derweil unsere Digi wieder nur für die Sarus-Kraniche reicht, doch an der majestätischen Erscheinung dieser Vögel können wir uns ohnehin kaum satt sehen.

Hohlweg im Märchenwald

Als kurz vor Sonnenuntergang wieder unser sog. Märchenwald erreicht ist, lassen wir die Räder auf dem Weg stehen und suchen zu Fuß die Gegend nach all den Eulen und kleineren Greifvögeln ab, die es hier häufig geben soll, etwa Schikra, Merlin, Oriental Honey Buzzard, den wir mal gehört zu haben glaubten, Höhlenbaum und viele mehr, doch unsere Anstrengungen bleiben leider vergeblich. — Wenn wir unbedingt fündig werden wollen, gehen wir meist leer aus; wenn wir hingegen irgendwo eine Weile rasten, stellen sich Vögel und Tiere ganz von selber ein.

So schlummerten wir mal nahe eines Bächleins im Periyar Wildlife Sancturary im südindischen Kerala und erwachten just in dem Moment, als sich eine stattliche Königskobra anschickte, einfach über uns hinweg zu gleiten… Nein — wir behielten nicht die Nerven, sondern fuhren kreischend hoch, unsere Decke wie eine Mantilla schwenkend. Blitzschnell reckte die Kobra ihren Vorderleib wohl an die 70, 80 cm empor, spreizte den Hals, wendete den Kopf halb ab, so dass wir ihre "Dienstmarke" (die berühmte "Brille") sehen konnten, kehrte uns jedoch sogleich wieder ihr Anlitz zu mit den eigentlich doch kleinen, jetzt aber alles beherrschenden Augen, wobei sie ein unbeschreibliches Fauchen ähnlich dem Rauschen eines aufziehenden Unwetters vernehmen ließ, das sozusagen im Surround Sound von überall herkommend auf uns eindrang und uns zusammen mit dem eisigen Blick, zu jenen sprichwörtlichen Kaninchen erstarren ließ. Nachdem wir dergestalt einander eine kleine Ewigkeit fixiert hatten, kräuselte sich der Hals der Schlange, als würde er welken; unendlich langsam und immer wieder innehaltend ließ sie sich auf den Boden herab, glitt aber dann so schnell zwischen Strauchwerk und Geröll davon, dass keine Chance blieb, ein Beweisfoto zu schießen. — Genug: In den zahlreichen Termitenbauten im Ghana sollen ebenfalls einige Kobras hausen, die in Indien bekanntlich von Hindus als heilig verehrt werden, aber da wir diesmal anscheinend keins dieser Ehrfurcht erweckenden Tiere zu Gesicht bekommen, haben wir uns halt verleiten lassen, alte Geschichten aufzutischen. — Und noch was: Wann immer z. B. im christlich gerägten Goa eine Kobra entdeckt wird, rennt buchstäblich das ganze Dorf hin, um anschließend das erschlagene Tier im Triumphzug durch die Gassen zu tragen...

Kurz bevor wir den Sitaram-Tempel erreichten, wo unweit einer Wasserpumpe die Einfassungsmauer des Parks einen richtigen Übergang mit Schrittsteinen für die Ortsansässigen aufweist, blieb uns ein weiteres Erlebnis der unerfreulichen Art nicht erspart: Unter Baum und Busch auf der Parkseite krähte es fröhlich "Hello!" und "What is your name?" Wir mochten unseren Augen kaum trauen: Zu Dutzenden verrichteten Männlein und Weiblein, Alt und Jung dicht an dicht dortselbst ihr Geschäft und hatten diese Stelle des Nationalparks — auch noch unweit einer recht weitläufigen Tempelanlage gelegen— zu einer großen Freiluft-Bedüfnisanstalt umfunktioniert.

Wir traten in die Pedalen, kreuzten nach einem halben Kilometer den Hauptweg und fuhren übers Gelände des Forest Resthouse zu unserer Sonnenuntergangsbank, obschon sich das Gestirn für heute längst verabschiedet hatte. Kormorane und Schlangenhalsvögel komplettierten noch ihr Abendessen, eine Schlangenweihe, erkennbar an der hellen Brust, verharrte reglos auf einem abgestorbenen Baum und nahm keine Notiz von den Hundertschaften Blessrallen, die in diszipliniertem Marsch über den Dammweg von einem Teil des Sees in den anderen hinüber wechselten. Drei massige Sambar-Hirsche kreuzten mitten im brusthohen Wasser unter seltsamem Gejaule abwechselnd ihre Geweihe, ohne das wir weibliches Publikum hätten entdecken können. — Der Gesang der Schakale trieb uns schließlich zum Aufbruch.

Weitgehend ignorierter Hinweis

 
 
 
 
 
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Katrin Koch - 8. Feb, 02:45

Krokodil

Hallo B. & A.,
im Nachbarland von Rajasthan, Pakistan, gibt es den Ganges- Gavial (in Indien sonst noch weiter nordöstlich bzw. in Bangladesch), der zur Ordnung der Krokodile, als einziger Vertreter der Art zur Familie der Gaviale gehört. Möglicherweise hat der Franzmann dieses Tier im Sinn (zu quälen). Gaviale können auch über 6m lang werden und haben eine ganz schmale Schnauze mit Zähnen die ineinander greifen. Hoffen wir, dass so ein Tierchen vielleicht doch im Park sich befindet und den Herrn packt... . S´ist mit den Menschen wie mit den Affen- mancher versteht nur den Hieb mit dem Dornenstock.
Herzliche Grüße ausm´ matschigen Berlin

nabu-webbi - 9. Feb, 03:45

Namaste, Katrin,

und vielen lieben Dank für all Deine Kommentare! Eben haben wir den letzten Beitrag reingestellt, und nun kommen wir in Bälde in personae, doch werden es leider leider nicht mehr rechtzeitig zu Deinem Vortrag schaffen, denn laut Fahrplan landen wir erst um 11 Uhr in Tegel. Schade, aber davon abgesehen freuen wir uns ganz doll, Dich und den Rest der NABU Berlin-Family wiederzusehen!

Herzliche Grüße aus dem sonnigen Bharatpur von
A & B

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